Aktuelles 90. GEBURTSTAG

Soziales Gewissen im Unruhestand

Ehrenbürger Alfred Heinle engagiert sich für seine Heimat

 

Garmisch-Partenkirchen - Müde? Ist Alfred Heinle noch lange nicht. Daran, sich aufs Altenteil zurückzuziehen, denkt der Garmisch-Partenkirchner Ehrenbürger auch nicht. Zu sehr treiben ihn die Themen, die ihn zeitlebens beschäftigt haben, um. Zu sehr liebt der gebürtige Allgäuer den Ort, in dem er, seine Frau Liselotte und ihre drei Kinder in den 1960er Jahren eine neue Heimat gefunden haben. Der Wunsch, den er zu seinem 90. Geburtstag an diesem Samstag äußert, erstaunt daher nicht „Ich hoffe, ich erlebe es noch, dass die Obdachlosenunterkunft aus den Loisachauen wegkommt." Ein Dauerbrenner für einen, der es schon immer mit Menschen zu tun hat. Mit Behinderten, mit Straffälligen, mit Jugendlichen, die er von der schiefen Bahn auf den rechten Weg bringen wollte, Obdachlosen, denen er ein Dach über dem Kopf verschaffte und ihnen ein Stück Menschenwürde zurückgab.

 

"Ich würde alles noch einmal genauso machen." - Alfred Heinle über sein Lebenswerk.

 

Caritas-Kreisverband mit aufgebaut

Häufig wird Heinle das soziale Gewissen der Marktgemeinde genannt. Völlig zu Recht. 1965 kam der Sozialpädagoge ins Werdenfelser Land, um den Caritas-Kreisverband aufzubauen. Schnell wandten sich Eltern an ihn, die für ihren Nachwuchs mit Behinderung einen Kindergartenplatz suchten. Sie stießen auf offene Ohren. In einem Keller an der Schulstraße fing alles an - mit acht Mädchen und Buben. Schnell war klar, dass es nicht nur um Kinder ging. „Es stellte sich auch die Frage, was man mit erwachsenen Behinderten macht", sagt Heinle. Einige Eltern hätten sich richtig geschämt, zu deutlich war noch die Erinnerung an den katastrophalen Umgang mit kranken und behinderten Menschen im Dritten Reich. Menschen, die die Nationalsozialisten als nicht lebenswert ansahen. ,,Deshalb ging's um Aufklärungsarbeit, dass sie dazugehören, die gleichen Rechte wie alle haben, auch einen Anspruch auf Arbeit." Und es ging darum, die massiven Berührungsängste abzubauen.

Damit begann eine Erfolgsgeschichte. Eine, ,,die die Öffentlichkeit und das Tagblatt stets mitgetragen haben, wodurch wir unheimlich viele Spenden bekommen haben", erinnert sich Heinle. ,,Nur deshalb konnten wir unsere Ideen immer umsetzen." 1972 gründeten Heinle, seine Frau, die das Ganze als Sozialarbeiterin begleitete, und weitere Mitstreiter die Kinder-, Jugend- und Erwachsenenhilfe (KJE). Ein Verein, der mittlerweile im Landkreis einen Integrationskindergarten, heilpädagogische Tagesstätten, einen Hort, die Werdenfelser Werkstätten, Offene Hilfen und mehrere Wohnhäuser betreibt. Bis 2019 fungierte Heinle als Erster Vorsitzender. Mittlerweile hat sein Sohn Stephan dieses Amt übernommen.

Nach dem Abitur hatte Heinle eine Ausbildung zum Industriekaufmann gemacht. Ein Beruf, der ihn nicht erfüllte, der aber eine gute Basis für sein späteres Berufsleben darstellte. Er arbeitete bei verschiedensten kirchlichen und karitativen Organisationen und Institutionen, als deren Kopf und Vordenker. Zuletzt bis zum Ruhestand als Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des katholischen Männerfürsorgevereins München. ,,Bei den Obdachlosen bin ich sesshaft geworden", sagt er und schmunzelt. Ehrenamtlich engagierte er sich für die Kinder-, Jugend- und Erwachsenenhilfe - ,,unsere Tochter hat einmal gesagt, dass die KJE immer bei uns am Tisch saß", erzählt seine Frau-, nach seiner Berufstätigkeit dann auch für die SPD. 2000 trat er bei den Sozialdemokraten ein und saß für sie von 2008 bis April 2019 im Garmisch-Partenkirchner Gemeinderat. Probleme mit dem Gehör veranlassten ihn zum Rücktritt.

Sein Einsatz für den Ort endete damit nicht. Aktuell beschäftigt ihn die Gründung eines Fördervereins, um die viel gelobte Ausstellung „Die Kehrseite der Medaille" über die Olympischen Winterspiele 1936 wiederzubeleben.

,,Schade" findet es Heinle, ,,dass diese seit Jahren in der Versenkung verschwunden ist". Die Satzung steht bereits, auch Mitglieder hat er schon gefunden. ,,Wir suchen nur noch einen Vorsitzenden." Möglichst einen politisch unabhängigen, der dieses Anliegen unbelastet vorantreiben kann.

 

Feier mit Familie und Freunden

Vielleicht wird er bei seiner Geburtstagsfeier fündig, zu der seine Kinder - Sohn Thomas reist mit seiner Frau aus Indonesien an-, neun Enkel und drei Urenkel, weitere Angehörige, Freunde und Weggefährten in die Werdenfelser Werkstätten kommen. Es ist eine Ausnahme, dass er dorthin einladen darf. Eine, die die KJE für ihren Gründer gerne macht. Blickt Heinle zurück, sagt er: ,,Ich würde alles noch einmal genauso machen." Wahrscheinlich, weil er vieles richtig gemacht hat.


Ein handgeschnitztes Schwein, dass der Vater eines jungen Burschen, der in den Werdenfelser Werkstätten arbeitet, zeugt davon. ,,Glück g'habt, Heinle g'habt" steht unten drauf. Auf sehr liebevolle Art drückt dieses Erinnerungsstück alles aus, was das soziale Gewissen von Garmisch-Partenkirchen ausmacht.

Quelle: Samstag, 05. Juli 2025, Garmisch-Partenkirchner Tagblatt/ TANJA BRINKMANN

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